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Personenfreizügigkeit

Das Freizügigkeitsabkommen erleichtert den in Vertragsstaaten wohnhaften Auslandschweizer:innen die Bedingungen für Aufenthalt und Arbeit. Die ASO setzt sich daher für seine Aufrechterhaltung ein.

Kontext

Die grosse Mehrheit der Auslandschweizer:innen lebt in Europa: 2022 waren es rund 510 900 Personen, also 64 Prozent aller Auslandschweizer:innen. Sie profitieren direkt vom Freizügigkeitsabkommen (FZA). Die Auslandschweizer-Organisation (ASO), SwissCommunity, setzt sich deshalb seit Jahren für die Personenfreizügigkeit ein – zu Beginn für deren Einführung, dann für die Ausdehnung auf weitere Staaten und nun für ihren Erhalt.

Das Freizügigkeitsabkommen

Seit 2002 regelt das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedsstaaten die sogenannte Personenfreizügigkeit. Es berechtigt Schweizer Staatsbürger:innen sowie Staatsbürger:innen der EU-Mitgliedsstaaten, ihren Arbeits- und Wohnort innerhalb der Vertragsstaaten grundsätzlich frei zu wählen. Ergänzt wird das Recht auf freien Personenverkehr durch Bestimmungen über die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, über den Erwerb von Immobilien und über die Koordination der Sozialversicherungssysteme. Dank diesem Abkommen werden schweizerische und europäische Staatsangehörige gleichbehandelt und sie geniessen eine Reihe von Rechten in den Bereichen Wirtschaft, Arbeit, Steuern und Sozialleistungen, um nur einige Beispiele zu nennen. Um das Schweizer Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen für in- und ausländische Arbeitnehmende zu gewährleisten und gleiche Wettbewerbsbedingungen für in- und ausländische Unternehmen zu schaffen, wurden zum FZA sogenannte flankierende Massnahmen (FlaM) erlassen. Sie sehen Kontrollmöglichkeiten von Arbeitsbedingungen und Löhnen vor.
Die Regelungen des Freizügigkeitsabkommens gelten auch für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA).

Das FZA ist nur eines in einer langen Reihe von bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU. Es wurde im Rahmen der sogenannten Bilateralen I 1999 unterzeichnet. Die Bilateralen I setzen sich aus sieben einzelnen Abkommen zusammen, die grösstenteils den Marktzugang betreffen und der Schweiz den Zugang zum EU-Binnenmarkt eröffnen. Die Abkommen sind untereinander durch eine «Guillotine-Klausel» verknüpft; bei Kündigung eines der Abkommen werden also auch die restlichen sechs ausser Kraft gesetzt.

Verhandlungen über ein Rahmenabkommen

Mit der Legislaturplanung 2007–2011 beauftragte das Parlament den Bundesrat, Verhandlungen über ein Rahmenabkommen (auch: institutionelles Abkommen, InstA) mit der EU aufzunehmen. Das InstA sollte den institutionellen Rahmen für die bereits vorhandenen sowie zukünftige Marktzugangsabkommen festlegen, also deren Funktionsweise regeln. Insbesondere sollte es die Streitbeilegung und die dynamische Rechtsübernahme regeln. In jahrelangen Verhandlungen versuchten sich die EU und die Schweiz auf ein solches Rahmenabkommen zu einigen. Umstritten waren insbesondere einige Fragen im Zusammenhang mit dem Freizügigkeitsabkommen und den flankierenden Massnahmen. Nachdem sich aus Sicht des Bundesrates keine Einigung abzeichnete, brach er 2021 die Verhandlungen ab.

Zwar gelten die bestehenden bilateralen Abkommen bisher weiterhin. Die EU bindet deren zukünftige Aktualisierung aber an das Zustandekommen eines Rahmenabkommens. Können die Abkommen über längere Zeit nicht an neue Gegebenheiten angepasst werden, wird ihre Umsetzbarkeit leiden. Obwohl also das Freizügigkeitsabkommen unverändert gilt, sind die längerfristigen Auswirkungen des Verhandlungsabbruches auf die Personenfreizügigkeit schwer abzuschätzen.
Gewisse negative Konsequenzen des Verhandlungsabbruchs sind indessen bereits sichtbar. Die Schweiz ist aktuell weder an das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon Europe noch an das Bildungsprogramm Erasmus+ assoziiert – ein schwerer Rückschlag für den Forschungsstandort Schweiz. Das Auslaufen des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse führt zudem im Bereich medizinischer Produkte zu Nachteilen in Bezug auf Standort und Konkurrenzfähigkeit.

Bedürfnisse der Auslandschweizer:innen

Eine wachsende Zahl von Schweizer:innen profitiert von der internationalen Mobilität, ermöglicht durch das FZA. Insbesondere diejenigen Auslandschweizer:innen, die neben der schweizerischen keine zweite (EU/EFTA-)Staatsbürgerschaft haben, sind zur Weiterführung ihres Lebens in der aktuellen Form auf die Personenfreizügigkeit angewiesen. Die Personenfreizügigkeit ist daher für die in der EU/EFTA wohnhaften Auslandschweizer:innen unabkömmlich und die Rechte, die ihnen das Freizügigkeitsabkommen garantiert, müssen bewahrt werden. Sie ermöglichen ihnen und den zukünftigen Auslandschweizer:innen ihr Leben im Wunschland und trotzdem die Möglichkeit, jederzeit unkompliziert in die Heimat zurückzukehren.

Wenn eine Person aufgrund des Freizügigkeitsabkommens in einem Vertragsstaat ein Aufenthaltsrecht hat, erhalten grundsätzlich auch gewisse Familienangehörige – unabhängig von deren Staatsangehörigkeit – eine Aufenthaltserlaubnis im entsprechenden Staat. In Familien mit Migrationsgeschichten haben oftmals nicht alle Familienmitglieder dieselbe Staatsangehörigkeit. So besteht zusätzlich die Gefahr, dass ohne FZA die Familien auseinandergerissen werden könnten, da die Familienzusammenführung im Falle der Einwanderung nicht mehr automatisch gewährleistet wäre.

Ziele der Auslandschweizer-Organisation

Das Freizügigkeitsabkommen erleichtert die Bedingungen für Aufenthalt und Arbeit in der EU/EFTA für Schweizer Bürger:innen und umgekehrt und fördert so die internationale Mobilität. Dies kommt nicht nur den aktuell in EU/EFTA-Staaten wohnhaften Schweizer:innen zugute, sondern der ganzen Schweiz. Die EU ist unsere wichtigste Handelspartnerin. Die Präsenz unserer Landsleute in den EU/EFTA-Ländern ist eine Chance für die Schweiz. Sie bilden ein riesiges Netzwerk von Personen, welche direkt in der wirtschaftlichen Realität dieser Länder integriert und auch in der Lage sind, das politische System der Schweiz zu erklären und deren Interessen zu vertreten.

Der Auslandschweizerrat (ASR), das höchste Organ der ASO, fordert den Bundesrat deshalb in zwei Resolutionen (2021 und 2022) auf, eine klare und transparente Strategie für die Wahrung der Errungenschaften der bilateralen Abkommen und die vollständige Aufrechterhaltung der Personenfreizügigkeit auszuarbeiten, um die Rechte der Schweizer:innen, die bereits in einem EU/EFTA-Land leben, sowie all jener, die sich in Zukunft dort niederlassen möchten, zu gewährleisten.

Aktuelles

Wie weiter nach dem Verhandlungsabbruch?

Im Februar 2022 hat der Bundesrat seine Stossrichtung für ein Verhandlungspaket mit der Europäischen Union vorgestellt. Er will den bilateralen Weg fortsetzen und die institutionellen Fragen nicht in einem Rahmenabkommen, sondern jeweils in den einzelnen bilateralen Abkommen regeln. Zudem wünscht er sich die Aufnahme von Verhandlungen über allfällige neue Abkommen und die Beteiligung der Schweiz an EU-Programmen.

In den seither durchgeführten Sondierungsgesprächen hat sich die Europäische Union laut dem Bundesrat grundsätzlich mit dieser Stossrichtung einverstanden erklärt. Einige Fragen blieben jedoch ungeklärt, weshalb die Sondierungen weitergeführt werden sollen. Erst nach diesen Klärungen will der Bundesrat über ein Verhandlungsmandat entscheiden. Allerdings braucht dann auch die EU-Kommission ein entsprechendes Verhandlungsmandat. Aktuell knüpft die EU die Aufnahme von Verhandlungen an die Bedingung, dass es eine gewisse Annäherung, insbesondere in den institutionellen Fragen, gibt.

Im Juni 2023 präsentierte der Bundesrat, beauftragt durch das Parlament, einen Bericht mit einer aktuellen Lagebeurteilung zu den Beziehungen Schweiz–EU. Der Bericht kommt zum Schluss, dass der bilaterale Weg für die Schweiz weiterhin die beste Lösung sei. Im gleichen Monat hat der Bundesrat ausserdem die Eckwerte für ein Verhandlungsmandat mit der Europäischen Union verabschiedet. Dessen genaue Inhalte sind vertraulich. Das Mandat soll voraussichtlich Ende Jahr verabschiedet werden.

Brexit

Im Januar 2020 trat das Vereinigte Königreich (UK) aus der EU aus. Somit wendeten sich ab diesem Zeitpunkt die bilateralen Abkommen Schweiz-EU nicht mehr auf das UK an. Für die dort wohnhaften Auslandschweizer:innen führte dies kurzfristig zu rechtlicher Unsicherheit. Die Schweiz und das Vereinigte Königreich handelten allerdings eine Reihe von neuen Abkommen aus, dank derer die meisten der bisherigen Rechte und Pflichten weiterhin gelten sollen. Die Rechte der bereits vor dem Brexit im Vereinigten Königreich wohnhaften Auslandschweizer:innen, die ihnen aufgrund des Freizügigkeitsabkommen zukamen, sollen grundsätzlich erhalten bleiben. Allerdings können Neuzuzüger:innen seit dem Brexit diese Ansprüche nicht mehr geltend machen. Für die Arbeitsmarktzulassung und die Einwanderungserlaubnis sind seither wieder die jeweiligen nationalen rechtlichen Bestimmungen massgebend.

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