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  • Politik

Die Schweiz geht einen Schritt auf die Nato zu

20.10.2023 – Christof Forster

Der Bundesrat will sich am europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield beteiligen. Dabei geht es nicht nur um den gemeinsamen Einkauf von Waffen zur Luftverteidigung. Kritiker sehen die Neutralität gefährdet.

Der russische Überfall auf die Ukraine hat europäischen Staaten vor Augen geführt, wie mangelhaft sie gerüstet wären für einen vergleichbaren Angriff. Der Krieg hat die Bedeutung der Luftverteidigung aufgezeigt. Noch im Herbst 2022 haben auf Anregung Deutschlands 15 europäische Staaten die European-Sky-Shield-Initiative lanciert. Mit dem Projekt soll das europäische Luftverteidigungssystem gestärkt und Lücken geschlossen werden.

Im Sommer 2023 hat Verteidigungsministerin Viola Amherd eine Absichtserklärung zur Teilnahme an der Beschaffungsinitiative unterschrieben. Vor den Medien sagte die Bundesrätin, es gehe um die gemeinsame Beschaffung und die «Interoperabilität». Damit ist das möglichst nahtlose Zusammenspiel der Systeme gemeint. Die Schweiz könne indes selber festlegen, in welchem Ausmass sie sich beteilige. Ziel ist es zu verhindern, dass ein Loch im Luftschirm über der Schweiz entsteht.

Auch in der Schweiz hat der russische Angriffskrieg Gewissheiten ins Wanken gebracht. Es ist Bewusstsein dafür gewachsen, dass die Sicherheit des Kleinstaats ohne eine gewisse Zusammenarbeit mit befreundeten Staaten nicht möglich ist. Dabei handelt es sich indes nicht um ein Novum. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs etwa liess General Guisan eine Zusammenarbeit mit der französischen Armee im Falle eines deutschen Einmarsches vorbereiten.

Verteidigungsministerin Viola Amherd und ihr Armeechef Thomas Süssli rücken mit ihren Plänen näher an die Nato. Archivbild 2020 Keystone

Mit der Teilnahme an Sky Shield bewegt sich der Bundesrat auf neutralitätspolitisch heiklem Terrain. Verteidigungsministerin Amherd betonte denn auch, dass sich die Schweiz nicht in die Konflikte anderer Länder einmischen werde. In einer Zusatzerklärung hat die Schweiz neutralitätsrechtliche Vorbehalte angebracht. Jegliche Teilnahme an internationalen militärischen Konflikten werde demnach explizit ausgeschlossen. Auch das neutrale Österreich plant den Beitritt.

Diese Erklärung vermag allerdings die Kritikerinnen und Kritiker nicht zu besänftigen. Namentlich die SVP befürchtet, dass die Schweiz damit einen weiteren Schritt in Richtung Nato mache und sie warnt vor dem Ende der Neutralität. Sky Shield bringt das Land tatsächlich näher an die Nato. Mit dem Projekt wollen die teilnehmenden Staaten den europäischen Pfeiler des westlichen Verteidigungsbündnisses stärken. Es wird in die Nato-Strukturen integriert. Und wenn von Interoperabilität die Rede ist, heisst das, die Schweiz und Nato-Staaten trainieren die Fähigkeit, gemeinsame Einsätze durchzuführen. Geplant ist mehr als eine simple Einkaufsgemeinschaft, um Kriegsgerät zu besseren Konditionen zu beschaffen.

Anhängerinnen und Anhänger einer weniger strikten Auslegung der Neutralität begrüssen Amherds Pläne. Für sie ist klar, dass sich die Schweiz im Ernstfall nicht alleine verteidigen könnte. Bereits heute profitiert sie vom Schutzschirm der Nato, ohne aber in der grössten Krise seit Jahrzehnten nichts Zählbares zur Sicherheit des Kontinents beizutragen.

In diese Richtung zielt auch die von Armeechef Thomas Süssli einige Wochen später präsentierte Neuausrichtung der Armee. Diese soll wieder fähig werden, militärische Angriffe mit allen Mitteln abzuwehren – wie zu Zeiten des Kalten Krieges, aber adaptiert auf die heutige Realität.

Ist die Schweiz im Krieg, fallen die neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen weg. Darauf müsse man vorbereitet sein, heisst es in dem Bericht, der die grundlegende Reform der Armee bis 2031 skizziert. Die Armee müsse fähig sein, die Verteidigung auch in Kooperation mit anderen Streitkräften zu führen. Weil ein Alleingang keine Option sei, seien internationale Kooperationen, auch bei den Beschaffungen, unumgänglich.

Die Pläne aus dem Verteidigungsministerium werden in den kommenden Monaten zweifellos zu heftigen Debatten über die Armee und Neutralität führen.

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